Experten fordern eine rechtzeitige Berufsorientierung gegen den Fachkräftemangel

VON CHRISTOPH BOHN BREMERHAVEN/KREIS CUXHAVEN

„Wir müssen hier überlegen, wie wir uns besser organisieren. Wir dürfen uns beim Thema Berufswahl nicht auf die Eltern verlassen“, betont Brüggemann. Verluste könne sich der Standort Bremerhaven nicht erlauben, der sehr stark vom demografischen Wandel betroffen sei. „Wir brauchen gute Leute und müssen den Jüngeren Perspektiven bieten.“ Sättigungstendenzen bei Akademikern Es fehlten Facharbeiter, betont auch Horst Lüdtke vom Netzwerk. „Wir benötigen nicht nur Studierte, sondern auch Leute, die in der Lage sind, einen Schraubenschlüssel anzufassen und die wissen, wofür man ihn braucht.“ So gebe es auch bereits Sättigungstendenzen bei Berufen mit Studium: „Ich denke, dass wir in absehbarer Zeit beispielsweise genug Juristen haben. Aber Handwerker werden gesucht“, meint Lüdtke. Hier gelte es, rechtzeitig anzusetzen, ist sich auch Seewald sicher. Denn heutzutage müsse man sich schon früh entscheiden, welche Schule man mit welcher Fächerkombination besuche. „Und am Ende muss man sich für einen Beruf entscheiden, den man möglichst bis zur Rente ausübt.“ Hier sei eine rechtzeitige Berufsorientierung unerlässlich – schon vor dem Hintergrund, dass es mittlerweile einen Wettbewerb der Firmen um die Bewerber gebe, wie auch Brüggemann zu bedenken gibt. Bei der Berufsorientierung helfen auch Praktika, sagt Seewald: „Allerdings dürfen Praktikanten nicht als billige Arbeitskräfte gesehen werden. Man muss sich Zeit für sie nehmen, ihnen die Möglichkeiten im Beruf zeigen.“ Es komme darauf an, Vorurteile abzubauen. So gebe es im Handwerk viele schöne Berufe mit hohen Anforderungen, sagt Böhlken. „Und es kommt ja auch darauf an, Freude am Beruf zu haben. Das bietet das Handwerk.“ Die Kreishandwerkerschaft habe indessen gute Erfahrungen damit gemacht, Schüler in die Berufe reinschnuppern zu lassen. Letztes Jahr seien es 1200 gewesen, dieses Jahr werde eine Zahl von 1700 angestrebt. Und im Handwerk gebe es gute Aufstiegsmöglichkeiten. „Dabei darf man auch die Selbstständigkeit nicht vergessen. Viele Betriebe suchen händeringend nach einem Nachfolger“, betont Böhlken. Auch dürfe man nicht vergessen, dass man im Handwerk gutes Geld verdienen könne, gibt Brüggemann zu bedenken. „Viele Assistenzärzte hätten nach der Uni gerne das Geld, was ein Facharbeiter verdient.“ Abgesehen davon könne man auch nach einer Ausbildung noch studieren, sagt Lüdke: „Das machen bereits 40 Prozent der Studenten so.“ So sei eine Zahntechnikerlehre für einen Zahnarzt sinnvoll. Und wenn man im Studium merke, dass das Studium nichts für einen sei, habe man beim Abbruch etwas in der Hand. Gut sei es auch, wenn Handwerksbetriebe einen Anreiz böten: nach der Lehre den Meister und dann noch ein Studium. „Dann gehen die jungen Leute dem Betrieb nicht verloren.“

»Wir benötigen nicht nur Studierte, sondern auch Leute, die in der Lage sind, einen Schraubenschlüssel anzufassen und die wissen, wofür man ihn braucht.«  Horst Lüdtke, Netzwerk Schule, Wirtschaft und Wissenschaft

Preis für das Netzwerk

Das Netzwerk Schule, Wirtschaft und Wissenschaft für die Region Unterweser gehört zu den 100 besten Projekten im Wettbewerb „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen 2014“. „Innovationen querfeldein – Ländliche Räume neu gedacht“ lautete das Thema in diesem Jahr. Aus 1000 Bewerbungen wählte eine unabhängige Expertenjury das Netzwerk in den Kreis der Preisträger. Im November soll die Preisverleihung stattfinden. Das Netzwerk leiste mit seinem Engagement einen herausragenden Beitrag für die Zukunft Deutschlands, heißt in der Begründung. www.land-der-ideen.de

Sonntagsjournal 06. Juli 2014

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